Klett-Themendienst Nr. 118 (11/2023)

Die neu gestartete Plattform teachkit will Lehrkräfte mit digitalen Unterrichtseinheiten zu Themen unterstützen, die größtenteils außerhalb der Lehrpläne liegen. Christoph Otto Groß, Lehrer aus Teltow, will mit seinem Material neugierig auf das Thema Ernährung machen. Ein Gespräch.

Was brachte Sie auf die Idee, das Thema Ernährung der Zukunft als eigene Unterrichtseinheit aufzugreifen?

Das ist aus der Lebensmitte unseres Schulalltags geholt, denn das Thema Essen ist sowieso präsent – angefangen beim Inhalt der Brotdosen über das Angebot in der Mensa bis hin zu der Dauerpräsenz in den sozialen Medien. Das interessiert unsere Schülerinnen und Schüler schon sehr, nur das Wissen fehlt oft.

Was genau interessiert Schülerinnen und Schüler?

Das Interesse kommt häufig über die in den sozialen Medien vermittelten Körperbilder. Da wird etwa den Jungen ein Steak schmackhaft gemacht, die Mädchen sehen sich einem Salatblatt gegenüber. Natürlich klafft zwischen dem, was gesund ist, und dem, was in den sozialen Medien vermittelt wird, eine riesige Wissenslücke. Die fülle ich zunächst einmal mit sachlichen Informationen. Letztendlich lernen die Schülerinnen und Schüler daraus, eigenverantwortlich zu entscheiden, z. B. ob sie vegan leben wollen oder ob es ihnen reicht, etwas weniger Fleisch zu essen, oder ob sie vielleicht die eine oder andere Zutat in Bio-Qualität kaufen.

Das Thema ist das eine, ebenso spannend ist Ihr neues Konzept. Was macht es so einzigartig?

Ich denke, das Besondere für meine Kolleginnen und Kollegen ist, dass sie mit dem, was ich konzipiert habe, direkt loslegen, also unterrichten können.  Es ist ein Online-Konzept. Die Lehrkräfte erhalten Hintergrundmaterial, Aufgaben für Schülerinnen und Schüler, Hinweise für Unterrichtsgespräche und den Verweis auf interessante Medienangebote, wie etwa den Link zu einem Podcast. Ich verstehe vollkommen, wenn Lehrkräfte angesichts der Herausforderungen und Ansprüche keinen „Kopf“ dafür haben, sich mit Themen abseits der Curricula zu befassen. Mit dem Konzept sparen sie zumindest an Vorbereitungszeit.

Haben Sie ein Beispiel?

Ja, es gibt z. B. folgenden Arbeitsauftrag an die Lernenden: „Informiert euch mithilfe eines Online-Rezeptes über die Zutaten eures Frühstücks, Mittag- und Abendessens gestern. Notiert die Zutaten und errechnet, wie viel Gramm für eine Person notwendig sind. Tragt die Zutaten in den Klimarechner ein, um die Klimabilanz eurer Ernährung zu errechnen. Vergleicht dann die Zutaten miteinander: Welche Zutaten haben einen besonders hohen oder besonders niedrigen CO2-Wert? Erläutert mithilfe der CO2-Werte, welche Art der Ernährung klimafreundlicher ist.“ Alles, was die Lehrkraft braucht, ist bereits vorbereitet und hinterlegt, z.B. der Klimarechner per QR-Code.

Womit treffen Sie den „Nerv“ der Schülerinnen und Schüler?

Das Thema ist einfach lebensnah und das Gelernte können die Kids unmittelbar anwenden. So wichtig es mir persönlich ist, den Klimawandel im Unterricht zu behandeln, versuche ich dennoch aufzupassen, dass das Thema Klimawandel im Unterricht nicht überstrapaziert wird. Ein Spagat, der gar nicht so leicht ist. Die Kids tragen nach meiner Beobachtung eine große moralische Last auf ihren Schultern, für die sie ja nichts können. Aber es interessiert sie schon sehr, dass auch ihre ganz persönliche Ernährung Auswirkungen auf den Klimawandel hat.  Außerdem nutze ich die Vorzüge digitaler Medien, ohne aus dem Unterricht eine „Tool-Party“ zu machen, heißt: Smartphone, Laptop, Tablet etc. sind im Einsatz. Dadurch bleiben die Lernenden selbst aktiv und erarbeiten sich ihren eigenen Zugang; viele haben ja vorher z. B. noch nicht gewusst, dass es so etwas wie einen Klimarechner gibt.  

Aber auf eine „Tool-Party“, wie Sie formuliert haben, müssen sich Kolleginnen und Kollegen, die mit Ihrem Konzept arbeiten möchten, nicht einstellen?

Nein, ich bringe die Vorteile digitaler Medien in einem, wie ich finde, gesundem Maße ein. Aber wir kochen auch zusammen, erstellen Einkaufslisten, diskutieren, basteln Prototypen und befassen uns z.B. mit unserer neuen Mensa. Da finde ich es übrigens sehr aufschlussreich, dass die Schülerinnen und Schüler auch überlegen, wie der Raum aussehen soll, in dem sie Essen zu sich nehmen. Es fällt auf, dass sie abgetrennte Bereiche bevorzugen. Die großen unstrukturierten Mensaräume sind den meisten viel zu laut. Um es auf den Punkt zu bringen: Wenn Kinder über Ernährung der Zukunft nachdenken, dann geht es eben auch um die Essens-Räume der Zukunft.

Wenn es allgemein um Zukunft und die Bewältigung von noch nicht absehbaren Veränderungen geht, stehen die sogenannten Zukunftskompetenzen, die 4K, im Mittelpunkt. Das sind Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken. Inwieweit berücksichtigen Sie diese Kompetenzen in Ihrem Konzept?

Die 4K werden in jedem Fall bedient, denn das Konzept ist darauf angelegt, zu diskutieren, kreativ und kritisch zu sein und sich Unterthemen im Team zu erarbeiten. Das geschieht ganz beiläufig, denn die Kids lieben es, sich mit Utopien und Dystopien auseinanderzusetzen. Sie erhalten durch das Konzept den Freiraum, weit und unzensiert zu denken. Dabei erleben sie auch, dass es für komplexe Themen nicht die eine Lösung gibt. Ein gutes Beispiel dafür ist die Frage: „Was ist klimaverträglicher: die Bio-Avocado oder der regionale Apfel aus konventionellem Anbau“? Immer wieder neu abzuwägen und Argumente gegeneinander abzuwägen, zieht sich wie ein roter Faden durch das Konzept. Das ist übrigens meiner Meinung nach das Wichtigste, wenn wir über Kompetenzen für die Zukunft sprechen: mit Freude dazulernen, Neues entdecken und sich von dogmatischem Denken lösen können.

Das Gespräch führte: Inge Michels

Kompakt
Christoph Otto Groß ist Lehrer an der Grace Hopper Gesamtschule in Teltow, nahe Berlin. Für den Ernst Klett Verlag und die neue Plattform teachkit konzipiert er Online-Unterrichtseinheiten, die relevante Themen unserer Zeit behandeln. Das Besondere: Das Material wird so aufbereitet, dass Lehrkräfte von Vorbereitungen und Recherchen entlastet werden und sofort starten können.

Buchtipp:
Mitte Oktober ist die Plattform teachkit gestartet. Sie enthält interaktive Unterrichtskurse zu Themen des 21. Jahrhunderts und will bestehende Lücken in Lehrplänen überbrücken. Die Unterrichtseinheiten sind auf ca. 6 Stunden ausgerichtet und wurden für Themen- und Projekttage an weiterführenden Schulen entwickelt. Weitere Infos unter: http://www.teachkit-klett.de