In Zeiten des Klimawandels und vieler Populisten, die den Klimawandel leugnen, tragen Lehrer eine große Verantwortung. Vom Klimagipfel in Bonn berichtet Schulbuchautor Thomas Hoffmann über neue Ansätze des Unterrichts zum regionalen Klimawandel ̶ und wie man mit Klimaskeptik umgeht.
Herr Dr. Hoffmann, seit vielen Jahren bilden Sie Lehrkräfte für Geographie aus. Welche sind die größten Herausforderungen von Lehrkräften des Faches Geographie?
Die größte Herausforderung ist die ungeheure Bandbreite. Geographie ist das einzige Fach, das genau die Interdisziplinarität bietet, die immer wieder in den Diskussionen verlangt wird. Politik ist hier wichtig, Wirtschaft, physikalische Zusammenhänge müssen in den Blick genommen werden – und all diese aus verschiedensten Fachrichtungen kommenden Erkenntnisse müssen zusammengebracht werden. Geographie ist letztlich der Versuch zu erklären, wie ein abgegrenzter Raum in den Zustand gekommen ist, in dem er sich gegenwärtig befindet. Das schließt auch die Gestaltung von Zukunft ein. Diese Bandbreite von Themen souverän zu beherrschen, ist eine große Herausforderung. Wir stoßen dabei auf ein hohes Maß an Komplexität, das ständig wächst. Der Umgang mit Komplexität gelingt am ehesten, indem man die Teilergebnisse mehrerer Einzelstunden lösungsorientiert am Nachhaltigkeitsprinzip ausgerichtet zu einem Gesamtergebnis führt. Wer etwa eine kleinere Unterrichtseinheit so plant, dass dabei nach vier Stunden ein Gesamtergebnis herauskommt, das ein höheres Maß an Komplexität veranschaulicht, für den hat sich der Aufwand gelohnt. Wir brauchen also keine Addition von kleinen Themen, sondern ein höheres Maß an Verständnis für die Komplexität eines Themas.
Mittelmeerklima am Neckarstrand?
Hoch komplex ist auch das Phänomen des Klimawandels, um das es beim Weltklimagipfel im November 2017 in Bonn ging. Welche Erfahrung haben Sie mit Ihren neuen Unterrichtskonzepten zur nachhaltigen Bildung dort gemacht?
Ich habe hier zwei Workshops zum Thema Klimawandel gehalten. Bei der Vorstellung der Workshop-Teilnehmer war ich überrascht, dass relativ wenige Lehrkräfte da waren, sondern überwiegend Vertreter der Bildungsbürokratie sowie von Nichtregierungsorganisationen, insbesondere aus deren Bildungsabteilungen und kaum jemand, der naturwissenschaftlich ausgebildet war. Das unterstreicht zum einen ein großes Interesse an dem Thema, führt zum anderen aber auch dazu, dass es kaum eine fachlich-wissenschaftliche Auseinandersetzung gab. Es handelte sich überwiegend um didaktische Fragestellungen der Teilnehmer. Beim ersten Workshop ging es um den Klimawandel vor Ort. Der entscheidende Hintergedanke dabei war: Wenn man über Klimawandel spricht, dann ist in aller Regel eine globale Dimension gemeint, die für viele Menschen räumlich und zeitlich weit entfernt ist. Man bekommt den Klimawandel indes viel besser in den Griff, wenn man ihn räumlich und zeitlich auf den eigenen Lebensraum bezieht. Dann spielt sich der Klimawandel zeitlich und räumlich dort ab, wo ein Jugendlicher später als Erwachsener wahrscheinlich mit seiner Familie einmal leben wird.
Sie haben eine Unterrichtseinheit zum Klimawandel in Baden-Württemberg im Auftrag des Umweltministeriums Baden-Württemberg entwickelt. Bei einer Unterrichtsstunde mit dem Titel „Mittelmeerklima am Neckarstrand?“ sollen Schüler ein Szenario für den Heimatort erstellen und Karten zum Klimawandel in Baden-Württemberg analysieren. Was versprechen Sie sich davon, dass Schüler das globale Phänomen des Klimawandels aus einer lokalen Perspektive betrachten sollen?
Als Lehrer haben wir die Aufgabe, die Lernenden da abzuholen, wo sie sind. Lerntheoretisch bedeutet das, wir brauchen Anknüpfungspunkte für Alltagserfahrungen der jungen Leute. Wenn wir eine Zugangsweise finden, die an die Alltagserfahrung der Schülerinnen und Schüler anknüpft, dann sind das motivierende Brückenschläge. Es macht den Klimawandel fassbarer, wenn wir ihn im Zusammenhang mit dem eigenen Lebensraum und in einer Zeitspanne von 15 Jahren betrachten, anstatt in der Zeitspanne von 100 Jahren und aus der Perspektive von Afrika. Aus dem, was die Lernenden schon wissen, erwächst Motivation. Der Motivationsfaden hingegen reißt ab, wenn sie nicht nachvollziehen können, was der Klimawandel genau mit ihrem Leben zu tun hat.
„Unvorbereitet hätten sie keine Chance“
Wissenschaftlich gilt es als bewiesen, dass der Klimawandel von Menschen gemacht wurde. Dennoch wird diese Tatsache derzeit von vielen Populisten in den USA und auch in Europa lauthals bestritten. Dürfen Geographielehrer notorische Klimaskeptiker in den Unterricht einladen?
Beim zweiten Workshop in Bonn ging es um Klimaskeptik ̶ und nicht um Klimaskeptiker. Mir war es wichtig, dass das transparent ist. Die Jugendlichen sollen im Zuge des Umgangs mit Klimaskeptik die Gelegenheit bekommen, sich in kritischem Denken zu schulen. Als zweiten oder dritten Schritt kann ich als Lehrer auch eine Unterrichtseinheit über Klimaskeptiker machen. Aber auf gar keinen Fall als ersten Schritt. In meiner Verantwortung als Lehrer und damit als Dienstleister an der Gesellschaft trage ich die Verantwortung, die Argumentation der anderen Seite, also der Klimaskeptiker, transparent zu machen. Laut dem Beutelsbacher Konsens von 1976 sind sich Politiklehrer etwa darin einig, dass Schüler im Unterricht nicht im Sinne einer erwünschten Meinung überwältigt werden dürfen. Vielmehr ist es Aufgabe von Lehrern die Schüler dazu zu befähigen, Klimaskeptik immer selbstständiger auf der Grundlage von klarem Faktenwissen zu bewerten und zu beurteilen. Das ist ein längerer Prozess.
Wir müssen Schüler dazu bringen, dass sie lernen, selbst Fragen zu stellen. Diese Fairness, die mir und meiner Berufsethik gegeben ist, wird kein Klimaskeptiker erfüllen. Die Klimaskeptiker tun genau das, was der Beutelsbacher Konsens verbietet: Sie überrumpeln die Schülerinnen und Schüler. Unvorbereitet hätten Schüler keine Chance. Wenn sie aber vorbereitet sind und die Tricks und Kniffe von Klimaskeptikern kennen, könnte ich mir durchaus vorstellen, einen Klimaskeptiker in den Unterricht einzuladen.
Für wen ist die Unterrichtsreihe zur Klimaskeptik relevant?
Je nachdem in welchem Bundesland und Schulsystem man sich befindet, ist das Thema Klimaskeptik für die elfte und zwölfte oder zwölfte und dreizehnte Jahrgangsstufe geeignet. Für einen Schüler der siebten, achten oder neunten Jahrgangsstufe geht das zu weit. Ich bin mit der Unterrichtseinheit zur Klimaskeptik an das Ende der Skala der Studienbefähigung gegangen. Das Maximum, das in der Schule möglich ist, wenn die Schüler in der Lage sind, Fragen zu stellen, zu hinterfragen, was in den Verlautbarungen von Klimaskeptikern nicht steht. Damit fangen wir im Geographieunterricht der Oberstufe bereits an, so zu denken, wie es typisch für Wissenschaftler ist.
Autor: Arnd Zickgraf
Kompakt
Dr. Thomas Hoffmann unterrichtet Geographie, Geschichte, Politik und Wirtschaft am Windeck-Gymnasium in Bühl. Primär ist er Fachleiter für Geographie am Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildung in Karlsruhe. Er verfasst seit über 20 Jahren Schulbücher als Autor und Herausgeber für den Ernst Klett Verlag. Darüber hinaus engagiert er sich bundesweit und international in Projekten zur Bildung für nachhaltige Entwicklung.
Buchtipp:
TERRA Globale Herausforderungen I, Die Zukunft die wir wollen.
Themenband, Klasse 10-13, ISBN: 978-3-12-104704-8, erscheint 02/2018
Der Klimawandel ist in aller Munde, aber es ist eine hoch komplexe Gemengelage von Verknüpfungen und Wirkungszusammenhänge, welche die Funktionsweise und Regenerationsfähigkeit des Systems Erde gefährdet. Die gute Nachricht bei all dem ist: Wir sind schuld! Und es gibt hunderte, vermutlich tausende raffinierte wie einfache Wege, die drohenden Szenarien zu vermeiden. https://www.klett.de/lehrwerk/terra-oberstufe/produkt/isbn/978-3-12-104704-8