Damit Schülerinnen und Schüler in der täglichen Nachrichtenflut den Überblick behalten und tagesaktuelle Themen und Debatten für sich besser einordnen können, fasst das Medienunternehmen Buzzard täglich über 2.000 Medien des gesamten politischen Spektrums zusammen. Ein Gespräch mit Felix Friedrich über politische Trendthemen bei Jugendlichen und was das über die Demokratiebildung aussagt.

Herr Friedrich, laut der letzten Shell-Jugendstudie ist die Mehrheit der Jugendlichen politisch interessiert. Die jüngsten Wahlergebnisse aus Thüringen und Sachsen zeigen, dass junge Wähler verstärkt Parteien am rechten Rand unterstützen. Gibt es da einen Zusammenhang?

Blickt man allein auf das Medienverhalten, gibt es zumindest Erklärungsansätze für den hohen Zuspruch extremer Meinungen. Wie wir wissen, informieren sich Jugendliche und junge Erwachsene tendenziell eher via Instagram, TikTok oder YouTube. Hier ist das politische Meinungsspektrum aber nicht unbedingt ausgewogen. Für eine informierte Meinungsbildung wurden diese Medien aber auch gar nicht konzipiert, sondern um Nutzer:innen möglichst lange am Handy zu halten. Extreme Meinungen, Bilder und Themen haben es auf diese Weise besonders einfach, Kinder und Jugendliche zu erreichen.

Müssen wir also Schülerinnen und Schüler nur dazu bringen, sich weniger über die Sozialen Medien zu informieren und stattdessen mehr Zeitungen, Fernsehen und Radio zu nutzen?

Klassische Medien wie Fernsehen, Radio und Zeitung mit ihren journalistisch aufbereiteten Beiträgen nehmen bei der politischen Bildung immer noch eine sehr wichtige Rolle ein, insbesondere was ihre Transparenz, Unabhängigkeit und Ausgewogenheit betrifft. Im Universum der Plattformen haben es solche Beiträge schwer. Soziale Medien haben ihre eigenen Spielregeln, wenn es um die Verknappung und Emotionalisierung von Informationen geht. Von daher ist es wichtig, Schülerinnen und Schüler auch an die klassischen Medien heranzuführen.

Dennoch bin ich der Meinung, dass soziale Medien eine wichtige Rolle in der Lebenswelt der Jugendlichen übernehmen und dass dies respektiert werden muss. Aber man muss da genauer hinschauen: Wer sind die Absender von Stories, TikToks oder Reels und was ist deren Absicht? Das ist oft nicht klar. Aus meiner Sicht ist es wichtig, Quellen kritisch zu hinterfragen und zu erkennen, wie die Mechanismen hinter manipulativen Inhalten funktionieren. Das herauszufinden, dafür muss Schule einen Raum bieten.

Demokratiebildung soll junge Menschen befähigen, politische und gesellschaftliche Probleme kompetent beurteilen zu können und sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden einzusetzen. Wo sehen Sie die Schwerpunkte?

In meiner Wahrnehmung nimmt die Fähigkeit in der Gesellschaft ab, sich mit unterschiedlichen Meinungen und Standpunkten vertieft auseinanderzusetzen. Wenn ich mich nur in meiner „sozialen Blase“ bewege, kann das im Extremfall sogar gefährlich werden. Schule sollte daher das Aushalten unterschiedlicher Meinungen und ein echtes Interesse am Zuhören der anderen Meinung vermitteln. Auch die Grenzen von Meinungsfreiheit sind auszuloten. Wann gilt es in einem Gespräch „Halt, stopp!“ zu rufen? Jugendliche sollen erkennen können, wann es sich bei dem, was gesagt oder geschrieben wird, um antidemokratische, diskriminierende, rassistische oder andere menschenverachtende Äußerungen handelt. Das gehört meiner Meinung nach mit zu den Grundkompetenzen einer gesunden, liberalen Demokratie.

In unserer von Medienvielfalt geprägten Welt gibt es unterschiedliche Positionen und kontroverse Themen. Wie gelingt es, Schülern einen guten Überblick zu verschaffen?

Die Suche nach unterschiedlichen Perspektiven zu kontroversen Themen ist für Lehrkräfte sehr zeitintensiv, das gibt der Schulalltag oftmals nicht her. Hinzu kommt, dass für die Demokratiebildung insgesamt nur wenige bis gar keine Stunden im Lehrplan vorgesehen sind, d.h. engagierte Lehrkräfte müssen da nach Wegen suchen, solche Themen in ihren Fachunterricht zu integrieren. Mit Buzzard schließen wir hier eine Lücke. Damit sich Lehrkräfte und ihre Lerngruppen mit aktuellen Debatten auch fächerübergreifend auseinandersetzen können, fassen wir zentrale Debatten aus mehr als 2.000 Medien tagesaktuell zusammen und ordnen sie thematisch zu. So kann man dann etwa im Fach Physik über Wasserstofftechnologie, Wärmepumpen und auch das Heizungsgesetz sprechen.

Mit Buzzard sprechen Sie gezielt ein junges Publikum an. Wie gehen Sie genau vor?

Unsere Redaktion wertet täglich von 5 bis 17 Uhr deutsch- und englischsprachige Medien aus. Was sind die wichtigsten Themen und Kontroversen des Tages und wie berichten die Medien jeweils darüber? Die von uns genutzten Medien spiegeln das gesamte politische Meinungsspektrum wider, von klassischen linken Tageszeitungen über liberale Wirtschaftsmedien bis hin zu rechtskonservativen, politischen Blogs. Die Kernbotschaften zu den jeweiligen aktuellen Debatten werden von uns zusammengefasst, die Quellen recherchiert und die Abhängigkeiten zu Politik und Institutionen offengelegt. Werktägig verschaffen wir jungen Menschen damit Überblick und Orientierung aus der Vogelperspektive, daher der Name Buzzard. Dieses Angebot ist bislang einmalig in Deutschland.

Für welche Debatten interessieren sich Schülerinnen und Schüler aktuell am meisten? 

In unserer Wahrnehmung interessieren sich Jugendliche sehr für politische Themen und für das, was in den sozialen Medien und auf dem Schulhof passiert. Der Krieg in der Ukraine, der Nahostkonflikt oder die Entwicklungen in der Klimapolitik werden aktuell stark nachgefragt. Aber es gibt auch Social Media-Trends, die wir mit abbilden. Im November gab es etwa Social Media-Hypes zu den Themen ADHS und Cybermobbing. Wir reagieren mit unseren Angeboten darauf, da Social Media-Hypes oft nur einseitig sind. Wir geben zu solchen Themen eine Übersicht, was in den Qualitätsmedien oder in Blogs darüber berichtet wird. Das ist eine gute Ausgangsbasis für eine Unterrichtsstunde.

In diesem Zusammenhang steht auch unsere Kooperation mit Klett. Über die „Debatte des Monats“ richten wir regelmäßig den Blick auf ein Thema, das eine hohe Brisanz und Wichtigkeit für den Unterricht hat. Neben unserem Medienspiegel erhalten Schulen zusätzlich ein didaktisch aufbereitetes Arbeitsblatt zum unmittelbaren Einsatz im Unterricht. Damit haben wir ein niedrigschwelliges Angebot für die Suche nach diskursorientierten Unterrichtseinheiten zur Demokratiebildung geschaffen, das gut angenommen wird. Wir freuen uns sehr darüber.

Was sind für Sie Voraussetzungen für eine gelingende Demokratiebildung?

Die Zeiten, in denen Schule als autoritäre Wissensvermittlung verstanden wurde, sind vorbei. Es sollte vielmehr und verstärkt um die Befähigung zur Partizipation als mündige Bürger gehen. Sich mit der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler auseinandersetzen ist eine wichtige Bedingung. Ich rate Lehrkräften oft, sich selbst einen TikTok-Account einzurichten, um das besser bewerten zu können. Jugendliche müssen ernst genommen werden aber auch aktiviert und ermutigt werden. Ich nutze hier bewusst den Begriff des Empowerments.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Anja Vrachliotis

 

Über Buzzard

Seit dem Start der App im Jahr 2020 basiert Buzzard auf der Idee, Schülerinnen und Schülern eine unabhängige und umfassende Informationsquelle zu bieten. Sie will helfen, eine differenzierte Meinung zu entwickeln, statt in der Informationsflut unterzugehen oder durch soziale Medien einseitig informiert oder desinformiert zu werden. Das Angebot finanziert sich aus Mitgliedern und Linzenzverkäufen wie etwa an Schulen in Thüringen, Lübeck oder Aschaffenburg. www.buzzard.org

 

Zur Person

Felix Friedrich, Geschäftsführer und Mitbegründer von Buzzard.org, hat Politikwissenschaft und politische Philosophie studiert.

 

 

 

 

Medien-Tipp

Jeden Monat erscheint im GeWi-Blogs des Verlags für Lehrkräfte der Gesellschaftswissenschaften eine Debatte des Monats. Aktuell erschienen ist ein Arbeitspaket zum Thema „Sollte man soziale Medien für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren verbieten?“ Hier geht es zur Debatte des Monats